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Hans Berger
[DE] In den Fängen der Gestapo
Hilde Berger war tief enttäuscht über das Fehlen eines Widerstandes gegen die Machtergreifung der Nazis, wollte aber im Untergrund weiter aktiv bleiben. Der kleinen trotzkistischen Gruppe, der sie sich angeschlossen hatte, gehörten einige jüdische Freunde noch aus den Zeiten der jüdischen Wanderbewegung an wie Alfred Bakalejnyk und ihr Bruder Hans, russische Emigranten wie Otto Grossmann und „arische“ Deutsche wie Werner Schmidt.
In den ersten Monaten der Nazi-Herrschaft wurden vor allem bekannte Sozialdemokraten, Linke und Kommunisten verfolgt, inhaftiert oder außer Landes getrieben. In Hildes Nachbarschaft wohnte ein junger jüdischer Journalist, der für eine linke Zeitung schrieb. Eines Tages brachte ein SA-Mann der Mutter die blutigen Kleider ihres Sohnes mit den Worten zurück: „Das hat Ihr Sohn davon, dass er sich in die Politik eingemischt hat und das ist alles, was von ihm übriggeblieben ist.“ Hilde Berger und ihre Freunde waren auch dadurch gefährdet, dass die Kommunisten in illegalen Flugblättern Trotzkisten und andere „Konterrevolutionäre“ namentlich denunzierten: ein gefundenes Fressen für die Gestapo. Mehrere Monate verließ sie deshalb mit ihrem Bruder Hans die elterliche Wohnung, um ihre Eltern nicht zu gefährden. Sie zog dann mit Alfred Bakalenik zusammen; nach heftigen Diskussionen mit ihren Eltern ließ sie sich zu einer „chuppa“ – einer Heirat nach jüdischem Ritus – überreden; standesamtlich heirateten sie nicht. Ihre Genossen durften von dieser Heirat nichts wissen.
Für ihre Treffen, auch mit anderen Widerständlern, mussten sich die Mitglieder der Gruppe konspirative Techniken aneignen – so verließen sie vor und nach Treffen immer als letzte den Bus oder die U-Bahn. 1934 wurden zwei Mitglieder der Gruppe verhaftet, aber sie verrieten Hilde nicht, obwohl sie Namen und Adresse kannten. Im selben Jahr wurde ihr Bruder Hans mit einem Flugblatt verhaftet. Der gerade 18 Jahre alte, jünger aussehende Hans behauptete, das Flugblatt sei ihm kurz zuvor von einem Unbekannten in die Hand gedrückt worden. Man glaubte ihm und er wurde zu nur sechs Monaten Jugendgefängnis verurteilt. Ein halbes Jahr nach seiner Entlassung wurde Hans im Herbst 1935 zum zweiten Mal verhaftet. Gegen den Rat Hildes war er als Kurier nach Hamburg gefahren, mit dem Argument, er sei der Jüngste und am wenigsten Verdächtige. Tatsächlich stand die Hamburger Gruppe unter Beobachtung der Gestapo: er wurde in Hamburg verhaftet, nach Berlin gebracht und gefoltert. Er verriet trotz Folter keine Namen. Nach anderthalb Jahren Einzelhaft bei der Gestapo wurde Hans zu 9 Jahren Zuchthaus verurteilt. Werner Schmidt floh nach einer Warnung nach England, wo er erfuhr, dass die ganze Gruppe beobachtet wurde. Er appellierte an Hilde und die anderen, aus Deutschland zu fliehen. Hilde Berger hörte nicht auf ihn. Weiterlesen