Die Familie Abraham Lippman aus Boryslaw
Der 1896 geborene Abraham Lippman war noch aufgewachsen in der Habsburger Monarchie und legte zusätzlich zum polnischen das deutsche Abitur ab. Nach dem Studium des Bauingenieurwesens in Wien betrieb er im jetzt polnischen Boryslaw ein Sägewerk und eine Bauunternehmung. Er war ein progressiver Jude, sozial und demokratisch gesinnt. Abraham heiratete Etka Gottlieb aus der Familie des religiös konservativen Steinbruchbesitzers Elias Gottlieb aus Starzawa. Sie besaß ebenfalls das deutsche Abitur. Abraham hatte fünf Brüder und Schwestern (Ronja, Israel, Regina, Zofia und Fanka), Etka sechs Geschwister (Mojzesz, Jakub, Leon, Lajzer, Franciszka und Estera).
Am 17.07.1931 wurde ihr einziges Kind, Józef, geboren, das eine weitgehend sorgenfreie Kindheit erlebte. Mit großer Wissbegier und Phantasie ersann sich Józef immer neue Experimente – oft zum Kummer seiner Mutter. Wenn seine Eltern wollten, dass Józef sie nicht verstehen sollte, sprachen sie Deutsch miteinander. Denn Józef wuchs polnischsprachig auf und besuchte eine polnische Schule. Die Ferien verbrachte er oft bei seinen Großeltern in Starzawa. Ältere Nachbarmädchen passten dann auf den umtriebigen kleinen Jungen auf.
Józefs Eltern besaßen das größte Haus der Großfamilie (ul. Cerkiewna 51). Ihr ganzer Stolz war die umfangreiche Bibliothek mit Werken von Goethe, Schiller und Heine. Bei ihnen fanden auch die Familienfeste statt wie etwa die Heirat von Abrahams Bruder Israel mit Lusia Fishman. Die Familie hatte jüdische, polnische und ukrainische Nachbarn und Freunde.
2007 berichtete der Holocaust-Überlebende Prof. Dr. Józef Lipman in einer Rede in Görlitz ausführlich über seine Erlebnisse während des Holocaust – dieses überarbeitete Manuskript und weitere Materialien dokumentieren dieses Familienschicksal.
(Die auf den drei Unterseiten dokumentierte „Görlitz-Rede“ mit Anmerkungen erhalten sie auch als kompaktes PDF-Dokument hier: Goerlitz-Rede-deutsch-annotiert-mitFotos )