Diese Aussagen Überlebender sind Briefen und Dokumenten entnommen, die schon durch Zeitungsartikel und Bücher bekannt wurden. Dazu kommt ein bisher unbekannter Brief von Artur Birman, der sich 2016 im Nachlass von Else Beitz fand.
Józef Hirsch, geboren 1903. Seit Februar 1942 Lohnbuchhalter in der Betriebsinspektion Boryslaw und einer der beiden engsten Mitarbeiter von Beitz. Ab 1943 waren auch seine Frau Marie Hirsch, geb. 1911, und sein Sohn Józef Hirsch, geb. 1926, bei der Karpathen-Öl AG in Boryslaw beschäftigt. Nach dem Krieg vorübergehend in Salzburg (Österreich), dann in Jerusalem (Israel) wohnhaft. In Aufzeichnungen erinnert sich Józef Hirsch 1972:
„Inzwischen kam im August 1942 eine Aktion gegen Juden. Von dieser Aktion, welche stattfinden sollte, erfuhr der erste jüdische Angestellte [Józef Hirsch spricht von sich selbst]. Herr Beitz sollte am Tage der Aktion zufällig verreist sein. Besorgt ging er mit dieser Nachricht zu Herrn Beitz und bat ihn, von der Reise Abstand zu nehmen. Herr Beitz verzichtete auf diese Reise und blieb in der Stadt. In der Nacht kam die große Aktion. Alte, Junge, Kinder, Männer und Frauen wurden in Waggons verladen, um sie zu vernichten. Beitz eilte zur Bahnstation und holte von den Waggons ca. 1.500 Männer [und] Frauen und besetzte mit denen die leeren Räume, welche als Arbeitslager für die Ölindustriearbeiter ad hoc gegründet wurden, somit rettete er 1.500 jüdische Seelen.“
Henryk Engelberg, Ingenieur, ehemals polnischer Offizier, 1938 wohnhaft in Boryslaw, Drobycka Str. 12, Mitarbeiter des Judenrates in Boryslaw, 1947 in Krakau (Polen) lebend
„Sie werden es vielleicht gar nicht glauben, wie oft und mit welcher Dankbarkeit ich und meine Tochter Ihren Namen genannt haben, seitdem wir wieder als freie Menschen leben können. Wir haben und werden es nie vergessen, dass Sie aus eigener initiative meine Tochter aus dem plombierten Wagon – dessen Ziel uns damals schon bekannt war – herausgeholt haben, aus demselben Zug, der meine Frau und meinen damals 15-jährigen Sohn in den schrecklichen Tod führte.
Ich wusste es immer zu schätzen und zu würdigen, dass Sie in dieser für uns so fürchterlichen Zeit der allgemeinen Verachtung und [uns], trotzdem wir Juden, also schon durch unsere Geburt – ‚Verbrecher‘ – waren , als Menschen behandelt haben und wo dies nur möglich war, in jeder Hinsicht behilflich waren…“
Mina Horowitz, geboren 1911, Frau eines Buchhalters in der Bezirksinspektion. Sie wurde nach der von ihr geschilderten Rettungsaktion im Februar 1943 noch dreimal von Beitz gerettet. Der Brief wurde am 22. Juni 1972 in Bat Yam, Israel, geschrieben,
„Ich war zusammen mit meinem Kind [Rehle] in der Sammelstelle im Saal des Kinos ‚Collosseum‘ in Boryslaw während einer der größten und blutigsten Aktionen in unserer Stadt, hauptsächlich gegen Frauen und Kinder gerichtet…
Als ich so halb bewußtlos nach dem Verlust des Kindes da saß (die Kinder brachte man gleich zu Beginn fort), breitete sich ein Ruf aus: ‚Beitz ist gekommen, Beitz ist gekommen!‘, und nach einer Weile fiel mein Name. Ich reagierte nicht gleich darauf, aber die Leute begannen mich nach vorn zu stoßen, so dass ich mich plötzlich im Angesicht von Herrn Beitz und dem Chef der Gestapo von Boryslaw, Wippert [gemeint ist der Leiter der Schutzpolizei Boryslaw, Wüpper] befand. Auf die Frage, wo mein Kind sei, drückte ich, nicht lange darüber nachdenkend, das neben mir stehende Kind an mich, zog es mit der Behauptung nach vorn, es sei meines…
Alle Personen, die er ausgewählt hatte, ließ er ins Lager bringen, mich und das Kind nahm er mit sich ins Büro. Dort erfuhr ich,daß Herr Beitz wusste, dass mein Kind zwei Jahre alt und ein Mädchen war, ich jedoch hatte einen neunjährigen Jungen namens Dunio Schapiro ausgewählt. Am selben Tag abends übergab ich ihn seinem Vater. Das Kind kam leider in einer der nächsten Aktionen um.“
Hilde Berger aus Berlin, Tochter polnischer Juden, war nach Boryslaw abgeschoben worden. Sie arbeitete als Sekretärin für Beitz, der sie schützte. Nach seiner Einberufung zur Wehrmacht kam sie in das KZ Plaszów. Sie tippte eine von Schindlers Listen mit den Namen der Häftlinge, die durch Oskar Schindler gerettet wurden, als das KZ Plazsów liquidiert wurde. Hilde Berger wurde in das KZ-Außenlager Brünnlitz gebracht, wo sie für den Rest des Krieges relativ sicher in der verlegten Schindler-Fabrik arbeitete. Der Brief wurde am 23. Dezember 1947 in Stockholm geschrieben. Hilde Berger starb 2011 in den USA.
„Auch ich möchte Ihnen meinen Glückwunsch zu Ihrer Lebensrettung aussprechen, denn es hätte ja auch bei Ihnen anders ausgehen können…
Es gab ja auch in Polen nicht viele anständige Deutsche, die wirklich uneigennützig den unglücklichen Opfern geholfen haben… Sie können sich ja nicht vorstellen, was Sie damals für uns alle bedeutet haben, auch wenn viele sich darüber klar waren, dass Ihre Hilfe ja nur begrenzt war.“
Michael Halski, Mitarbeiter des Judenrates in Boryslaw. In einem Brief an Beitz 1963 aus Memphis erinnert sich Micahel Halski an diesen denkwürdigen Dialog:
„Eines Oktobertages des Jahres 1942 fand im Büro der Verwaltung des Rohölgebietes von Boryslaw ungefähr folgendes Gespräch statt:
Frage: Was gedenken Sie zu tun? Sie haben kaum mehr viel zu retten … das nackte Leben … Haben Sie die Absicht, nach Ungarn zu gehen?
Antwort: Wir müssen etwas unternehmen. Möglicherweise gehen wir nach Ungarn. Unsere Vorbereitungen würden einige Tage dauern.
Frage: Bis wann wollen Sie Urlaub?
Antwort: Bis Montag.
Antwort: Der Urlaub bis Montag ist bewilligt.
Dieser Urlaub zog sich in die Länge und dauert eigentlich immer noch fort … bis auf den heutigen Tag … zwanzig Jahre.“
Artur Birman, geb. 1928. Der ungelernte Schüler wurde 1942 zuerst als Hilfsarbeiter bei einem Fliesenleger beschäftigt. Am 6.8.1942 rettete Beitz ihn als „Facharbeiter“, ebenso seine Mutter, und stellte ihn als Monteursgehilfen in einem Baubüro für Erdgasanlagen bei der Betriebsinspektion Boryslaw ein. Dieser Brief an Berthold Beitz vom 3.1.1965 aus Ramat Izchak (Israel) fand sich im Nachlass von Else Beitz.
„Es war im Jahre 1942… Sie waren in Borislaw Direktor der Beskiden Erdöl-Gewinnungsgesellschaft. Ich als 15-jähriger Jude und Zwangsarbeiter hatte damals in ihrer dortigen Wohnung eine Reparatur im Badezimmer durchzuführen. Bei dieser Gelegenheit fragte mich Ihre Frau Gemahlin ob ich etwas essen möchte, bat ich bescheiden um ein Stückchen Brot und bekam zu meinem Erstaunen ein reichhaltiges Frühstück vorgesetzt, das mit warmen, edelherzigen Worten begleitet war.“